Mein offener Brief an unsere Mitglieder des europäischen Parlaments

Eigentlich wollte ich den Blog heute noch gar nicht zum Leben erwecken, aber ein Artikel hat es schlichtweg nötig gemacht. Die Rede ist vom Beitrag von t3n bezüglich der geplanten Urheberrechtsverschärfung in der EU. Demnach sollen Zeitungsbeiträge schon nicht mehr auf Plattformen wie Facebook und Co. verlinkt werden. Öffentlich verfügbare Informationen sollen nicht mehr maschinell ausgelesen werden können, was nicht nur wissenschaftliche Arbeit verkompliziert bis – in manchen Fachbereichen – unmöglich macht.

Neben den Argumenten, die man in der Vorlage eines Briefes an den eigenen MEP hier lesen (und abschicken) kann, möchte ich hiermit auch noch meine eigenen Argumente vorstellen und poste euch daher hiermit meinen Brief – der hiermit wohl ein Offener ist.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich schreibe wegen der möglichen Verschärfung des Urheberrechts.

Als Repräsentant des deutschen Volkes und daher auch meiner Person bitte ich Sie, sich gegen die geplanten Änderungen (Artikel 11 und 13 des vorliegenden Entwurfs, auszusprechen.

Neben den in der Formbriefvorlage stehenden Argumenten, die Sie sicherlich schon mehrfach bekommen haben, die ich aber im Postscriptum noch einmal anfügen werde, möchte ich noch einige Dinge gegen die Änderungen einwenden:

Wir haben das Grundgesetz, das uns eine Informationsfreiheit zusichert. Nun verstehe ich, dass Verleger gern für ihre Inhalte Geld erhalten wollen. Aber bereits das Verlinken von Artikeln entweder kostenpflichtig zu machen, oder gar durch Algorithmen zu verhindern, wird sicher nicht dazu führen, dass mehr Nutzer bereit sind, Geld für diese Inhalte zu zahlen. Im Gegenteil. Während Paywalls sinnvoll sein können, wird das angedachte Gesetz nur dazu führen, dass weniger Information den Verbraucher überhaupt erreicht. Möglich ist sogar, dass so mehr Leute Desinformationen glauben werden. Zu Zeiten von AfD, Reichsbürgern und immer mehr erstarkendem Rassismus in Deutschland (der teils jetzt schon auf Desinformation beruht), riskieren Sie damit die soziale Sicherheit unseres Landes.

Aber gleichzeitig sind solche Algorithmen, wie man es schon seit Jahren bei Youtube sehen konnte, stark störungsanfällig, was bedeutet, dass auch die Inhalte, die nach dem Grundgesetz frei sein sollten und müssten, eventuell blockiert werden. So kann es sein, dass das neue Gesetz zwar nicht bewusst, aber doch real das Grundgesetz unterläuft.

Und dann gibt es noch den Punkt, dass auch das Auslesen mit Maschinen oder Programmen nicht mehr ermöglicht oder eingeschränkt werden soll? Nicht nur, dass das Journalismus und Wissenschaft stark behindert, wogegen ich als Soziologin hiermit ausdrücklich protestiere, es verstößt auch AKTIV gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. Denn wir, als Land, das diese Konvention ratifiziert hat, sind verpflichtet, barrierefreien Zugang in allen Gesellschaftsbereichen zu ermöglichen. Das bedeutet auch, dass Seiten für Sehbehinderte maschinell oder anderweitig technisch aus- und somit vorlesbar sein müssen. Wenn die EU dieses Gesetz also wirklich verabschieden sollte, verschlechtert es die ohnehin schon miserable Lage der Behinderten in Deutschland und Europa. Eventuell machen sich die Staaten damit sogar nach geltendem EU-Recht strafbar. Ich habe den genauen Wortlaut der EU-Gesetze zu Behinderung nicht im Kopf, aber auch dort müsste etwas dazu stehen, dass Behinderten barrierefreier Zugang in jedem Bereich ihres Lebens ermöglicht werden muss.

Ich bitte Sie also hiermit als deutsche Bürgerin, Wählerin, Wissenschaftlerin, Schwerbehinderte und Nutzerin des Internets, als Steuerzahlerin und schlicht als vernunftbegabter Mensch, dass Sie sich meiner Meinung anschließen und für mich und all Ihre Wähler mit ähnlicher Meinung gegen das Gesetzesvorhaben stimmen.

Mit freundlichen Grüßen

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